Tier-Pflanze-Interaktionen

Tier-Pflanze-Interaktionen stellen eine Schnittstelle zwischen Zoologie und Botanik dar, und umfassen sämtliche Wechselwirkungen zwischen Tieren und Pflanzen. Hierzu zählen negative (z.B. parasitische) Interaktionen, wo einer der beiden Interaktionspartner geschädigt wird, positive (z.B. mutualistische, symbiotische) Interaktionen, wo beide Interaktionspartner profitieren, sowie neutrale (kommensalistische) Interaktionen, wo einem der Partner kein unmittelbarer Vorteil aus der Interaktion erwächst. Unter die weithin bekannten negativen Tier-Pflanze-Interaktionen fallen Herbivorie (z.B. Raupen, die an Pflanzen fressen) sowie fleischfressende Pflanzen, die Insekten verdauen können. Zu den positiven Tier-Pflanze-Interaktionen gehören die Bestäubung von Blüten und die Verbreitung von Früchten. Tier-Pflanze-Interaktionen sind jedoch nicht auf zwei Interaktionspartner beschränkt, oft interagieren mehrere Partner in komplexen, mehrstufigen Netzwerken; so bilden zum Beispiel manche Pflanzenarten Strukturen, die Ameisen Wohnraum und Futter bieten – die Ameisen wiederum verteidigen die Pflanzen vor Herbivoren, die andernfalls an den Pflanzen fressen würden.

Tier-Pflanze-Interaktionen haben eine lange Forschungstradition, und vor allem negative Interaktionen (z.B. chemisches Wettrüsten zwischen Pflanzen und Herbivoren) standen lange im Fokus der Forschung. Zunehmend tritt auch die evolutionäre und ökologische Wichtigkeit positiver Interaktionen in den Vordergrund. Positive (mutualistische) Interaktionen sind nicht nur häufig Quellen erhöhter Biodiversität, sondern umfassen auch wesentliche Ökosystem-Services. Etwa 85 % der Blütenpflanzen weltweit, inklusiver wichtiger Agrarpflanzen, sind von der Bestäubung durch Tiere abhängig. Fruchtverbreitung durch Tiere stellt ein ebenso wichtiges Ökosystem-Service dar, da Tiere oftmals weite Distanzen zurücklegen und Pflanzensamen somit in neue Gebiete verbreiten können.

Die Forschungsschwerpunkte zu Tier-Pflanze-Interaktionen unserer Abteilung liegen vor allem auf der Bestäubungsbiologie (Arbeitsgruppe A. Dellinger) sowie Pflanze-Ameisen-Interaktionen (Arbeitsgruppe V. Mayer).

Arbeitsgruppe Agnes Dellinger – Tier-Pflanze-Interaktionen

© A. Dellinger

Die Bestäubungsbiologie steht als Vertreterin wichtiger mutualistischer Tier-Pflanze-Interaktionen im Vordergrund der Forschungsgruppe von Agnes Dellinger. Besonderes Interesse gilt dem Verstehen, wie sich Bestäuber-Pflanze-Interaktionen im Zusammenhang mit wechselnden Umweltbedingungen (z.B. entlang von Höhengradienten) verändern, und wie sich diese Veränderungen auf evolutionäre und ökologische Zusammenhänge sowie die detaillierte Funktionsweise von Blüten auswirken. Die weltweit in den Tropen verbreitete Pflanzenfamilie der Schwarzmundgewächse (Melastomataceae) dient dabei mit mehr als 5.800 Arten und sehr diversen Bestäubungsstrategien (Bienen, Kolibris, Fledermäuse, Mäuse, Sperlingsvögel, Generalisten) als ideales Modellsystem. Das dominante Bestäubungssystem bei Melastomataceae ist die Vibrationsbestäubung, bei der Bienen spezielle Vibrationen auf die Blüten applizieren und so Pollen freisetzen. Die strukturellen und biomechanischen Eigenschaften der Blüten sowie die diversen Interaktionsmöglichkeiten mit Wildbienen sind jedoch bis heute unzureichend erforscht.

Um den interdisziplinären evolutionären und ökologischen Fragestellungen nachzugehen verwenden A. Dellinger und ihre Studierenden eine Kombination aus dokumentarischer und experimenteller Feldarbeit, morphologischer Arbeit im Labor, biomechanischer und ökologischer Modellierung sowie vergleichender phylogenetischer Analysen und populationsgenomischer Ansätze. Aktuelle Forschungsprojekte umfassen die Modellierung abiotischer und biotischer Faktoren, die zur Radiation der Melastomataceae in den Anden beigetragen haben, sowie die biomechanische Charakterisierung von Vibrationsbestäubung und Erfassung der zugehörigen Bestäuberdiversität. Weiters laufen Projekte zur Erfassung der Diversität von Blüten- und Fruchtfarben, und Masterarbeiten zur Bestäubungsbiologie europäischer Pflanzen.

Arbeitsgruppe Veronika Mayer - Ameisenpflanzen

Carton gallery (© V. Mayer)

Carton gallery (© V. Mayer)

Piper opened domatium (© V. Mayer)

Piper geöffnetes Domatium (© V. Mayer)

Ameisen gehören neben den Menschen zu den vorherrschendsten Landorganismen obwohl eine Ameisenarbeiterin nicht einmal ein Millionstel so groß ist wie ein Mensch. Schätzungen zufolge beträgt die Gesamtanzahl der Ameisen ungefähr zehntausend Billionen Tiere. Kein Wunder, dass Beziehungen zwischen Ameisen und Pflanzen an der Tagesordnung liegen.

In den Tropen leben Ameisen und Pflanzen häufig in Wohngemeinschaften, wobei die Pflanzen Wohnraum und/oder Nahrung bereitstellen während die Ameisen eine Schutzfunktion übernehmen (Myrmekophytie). Diese Beziehungen können sowohl fakultativ und unspezifisch als auch obligat und mit spezifischen Partnern sein. Bei den fakultativen Assoziationen werden Ameisen mit kleinen Nektarmengen angelockt, die außerhalb der Blüte in sogenannten extrafloralen Nektarien (EFNs) sezerniert werden. Bei den spezialisierten Ameisen-Pflanzen Assoziationen dienen nicht-pathogene Hohlräume in Stängeln, Blattstielen, Rhizomen oder Blatttaschen als Nistraum für die Kolonie. Häufig werden von der Wohnpflanze protein- oder fettreiche Futterkörperchen produziert, berühmte Beispiele sind die Beltschen Körperchen der Ameisenakazien oder die Müllerschen Körperchen der Cecropien. In den meisten Fällen sind bei dem Zusammenleben von Ameisen und Pflanzen noch andere Partner beteiligt, zum Beispiel Woll- oder Schildläuse, oder Pilze.

Solche obligaten und komplexen Ameisen-Pflanzen Assoziation sind wesentlich seltener als generalisierte, jedoch von mindestens 20 Familien (O'Dowd, 1982) und ca. 100 Gattungen (Davidson & McKey, 1993) von tropischen Blütenpflanzen bekannt. Bei den Ameisenpartnern haben sich in 12 Unterfamilien der Formicidae spezialisierte Pflanzenameisen entwickelt. Wie Bronstein et al (2006) feststellten, scheinen bei den generalisierten Ameisen-Pflanzenbeziehungen die strukturellen Anpassungsprozesse vor allem auf der Pflanzenseite entstanden zu sein, während bei den komplexeren obligaten die evolutionären Prozesse bidirektional sind. Die Mechanismen zur Erkennung der Pflanzenpartner, oder Duftsignale zur schnellen Rekrutierung der verteidigenden Ameisen haben sich mehrere Male konvergent in verschiedenen Assoziationen entwickelt (z.B. Acacia-Pseudomyrmex, Cecropia-Azteca, Hirtella-Allomerus, Macaranga-Crematogaster, Piper-Pheidole). Ebenso die Einbindung weiterer Partner. Die Erforschung der strukturellen und physiologischen Vorraussetzungen für Ameisen-Pflanzen-Assoziationen sind interessante Beispiele für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Mutualismen.

In unserer Abteilung werden zwei Schwerpunkte bei Ameisen-Pflanzen Interaktionen untersucht: (1) die myrmekophytischen Piper Arten und (2) die Diversität und Funktion von Pilzen in solchen Interaktionen.