Flower biomechanics and the buzz-pollination niche
- FWF-Projekt P 36766-B
- 2023/6 –
- Projektleiterin: Ass.-Prof. Agnes Dellinger, BSc MSc PhD
- Kooperationen: DI Dr. Ernst Csencsics (TU Wien)
Jahrzehnte der Forschung haben gezeigt, dass sich die große Vielfalt an Blüten in Wechselwirkung mit unterschiedlichen Bestäubern entwickelt hat. Dazu wurden vor allem nahverwandte Pflanzenarten verglichen, die von sehr unterschiedlichen Tieren (z.B. eine Art von Bienen, die andere von Kolibris) bestäubt werden und sich also sehr markant in ihren Blüten unterscheiden. In vielen Pflanzengruppen sind jedoch hunderte von Arten entstanden, die alle von der gleichen Tiergruppe (z.B. Bienen) bestäubt werden. Auch in solchen Pflanzengruppen kann eine große Blütenvielfalt auftreten, aber wie diese Blütendiversität in Anpassung an dieselbe Bestäubergruppe entsteht, ist nach wie vor unzureichend erforscht.
Vibrationsbestäubung durch Bienen stellt ein solches Bestäubungssystem dar, wo tausende von Pflanzenarten von Bienen bestäubt werden. Pollen, der sowohl der pflanzlichen Reproduktion als auch als Futter für die Bienen dient, kann nur aus den Blüten freigesetzt werden, wenn Bienen die Blüten mit einer gewissen Frequenz und Lautstärke vibrieren. Viele vibrationsbestäubte Pflanzen weisen einen sehr ähnlichen Blütentyp mit zurückgeschlagenen Blütenblättern und kegelförmig angeordneten Staubblättern (in denen sich der Pollen befindet) auf (z.B. Tomaten, Kartoffeln, Kiwi). In der großen tropischen Pflanzenfamilie der Melastomataceae (Schwarzmundgewächse) ist jedoch eine enorme Vielfalt an vibrationsbestäubten Blüten entstanden, und es kommen sowohl Blüten mit kegelförmigen Staubblättern als auch Blüten mit komplex angeordneten Staubblättern und auffälligen Staubblattanhängseln vor. Inwieweit diese Blütendiversität Anpassungen an unterschiedliche Bienenarten darstellt, und welche Blütenmerkmale (z.B. Blütenduft, Blütenfarben, Pollenmenge, Blütengröße, biomechanische Vibrationseigenschaften der Blüten) wichtig sind in der Spezialisierung auf unterschiedliche Bienenarten, ist jedoch unklar.
In unserem Projekt kombinieren wir Ansätze der Bestäubungsbiologie und Blütenevolution (Agnes Dellinger, Uni Wien) mit Methoden der Mechatronik (Ernst Csencsics, TU Wien) um zu erforschen, wie sich Melastomataceae Blüten an vibrationsbestäubende Bienen angepasst haben. Hierzu werden wir Blüte-Bestäuber-Interaktionen gemeinsam mit lateinamerikanischen KollegInnen direkt in natürlichen Habitaten in Lateinamerika dokumentieren und mithilfe eines von uns konzipierten Vibrationssystems künstliche Blütenvibrationsexperimente durchführen. Weiters werden wir Blüten ultrastrukturell mittels Computertomographie untersuchen, und mittels Computersimulationen und 3D-Drucken die biomechanischen Eigenschaften der Blüten nachstellen. Die Kombination bestäubungsbiologischer und mechatronischer Ansätze erlaubt es uns, sowohl ökologische Interaktionen als auch biologische Strukturen nach Prinzipien der Physik zu untersuchen. Da Vibrationsbestäubung bei etwa 10 % der Blütenpflanzen, inklusive wichtiger Nutzpflanzen, auftritt, erwarten wir sowohl wesentliche Erkenntnisse für die Grundlagenforschung, als auch unmittelbar anwendungsrelevante Ergebnisse für die Agrarwirtschaft.